Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.1950, Blaðsíða 63
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ist68, soviel geht, vor allem bei Beachtung von Kocks Interpretation69 her-
vor, daB vitta véttr und mara eine Person sind, und diese, lids grimhildr,
lur Thjodolf kein gottliches Wesen, keine dis, sondern ein mit Zauber-
kraften begabter Unhold oder Mensch ist — den Vorstellungen des Volks-
glaubens von der Mahre entsprechend. Dadurch ist es wahrscheinlich, daB
Thjodolf auch bei Adils dasselbe unter vitta véttr verstanden hat, eben
eine Zauberin70. Dadurch finden sich keine Anbaltspunkte mehr dafur,
daB in Thjodolfs Kreis etwas von Disenopfer oder Disentrug bekannt ge-
wesen sei — oder zum wenigsten als authentisch gegolten håbe. Neben
Snorri und HN gibt es zudem eine dritte Variante, die Adils von einem
durch einen Speer verwundeten Pferd stvirzen laBt: die Kalfsvisa in
Snorris Edda71. Diese von Ynglingasaga wie HN und Ynglingatal unab-
hiingige Fassung zielt nun in die Nåhe dessen, vvas oben iiber Thjodolfs
Meinung mit Åla dolgr vermutet wurde (s. o. S. 31): auf einen Zusam-
tnenhang mit Adils Kampf gegen Ali. Dort vermutete ich einen Rache-
zauber fur diese Totung; die Kalfsvisa deutet eine kriegerische Auseinan-
dersetzung an. Nimmt man hinzu, daB der Wortlaut der Kalfsvisa (en
annarr austr) den gleichen Namen fur Adils Pferd nahelegt wie fur Alis
Hengst „als sie aufs Eis ritten" (Ali Hrafni, es til tss ridu), d. h. zur
Schlacht auf den gef rorenen Vener, dann ermoglichen sich verdunkel te
Zusammenhånge zwischen dem Tod beider Fiirsten. Ferner berichtet
Snorri, daB Adils das RoB Alis mit Namen Hrafn in jener Venerschlacht
gewinnt; davon stammt ein zweites, ebenfalls Hrafn genannt, das aber,
als Adils Geschenk, dem Haleygerkonig Godgest den Tod bringt. Alle
diese verschiedenartigen und doch verwandten Berichte bilden das typische
Gewirre einer durch mehrere Generationen und Gegenden verbreiteten
Volkssagen-Uberlieferung, wo es vielleicht iiberhaupt unmoglich ist, das
»Original", d. h. die erste Fassung festzustellen. Aber moglich ist es
immerhin, daB eine Sagenform vorhanden war, wonach Adils durch oder
auf dem RoB, das er einst Ali abgewonnen, oder das ein Nachkomme des
erbeuteten ist, den Tod findet, und daB dieser Tod irgendwie als eine
08 Åkerlund a. a. O. S. 81 ff.
69 E. A. Kock, Notationes norroenae § 1009: des Volkes trollgeborene Grimhild,
d- R die finnische Zauberin. — Snorris Huld stammt also hievon, als dessen
Auslegung oder begleitende Uberlieferung.
° B. Nermans an vitta véttr gekniipfte Zweifel an der Echtheit der Strophe,
in Studier i nord. filol. 5 (1914) S. 1 ff., erscheinen mir nicht stichhaltig.
71 Skåldskaparmål Str. 254.