Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.1950, Blaðsíða 202
200
Als Gesamtergebnis kann man formulieren: Es hat in den
letzten Jahrzehnten des 12. Jhs. — vor den Prosadenkmålern und den
beiden Skaldengedichten — eine Saga Olaf Tryggvissohns miindlich
existiert, die in Aufbau wie Darstellung knapp und geradlinig von dem
Fail seines Vaters bis zum Tod des Nachfolgers Jarl Erich gereicht hat.
Sie ist in verschiedenen, variierenden Fassungen erzåhlt worden, wobei
sich HN und Agr. besonders nahestehen, jedoch immerhin so weit
Unterschiede zeigen, daB sie voneinander unabhångige Versionen bilden;
das Agr. spiegelt dabei seine Vorstufe unverånderter als HN. Diese so
variierende Saga ist aus verschiedenen Quellen zusammengeflossen: aus
Fassungen, welche die beiden Skalden rein vertreten, und aus geistlichen
Bestandteilen, welche die Stikke der Jugend und der Taufe zu dem der
Priester beigesteuert haben. Das geistliche Interesse am Missionskonig låBt
es dabei wahrscheinlich sein, daB die Saga auBer in norroner Sprache, die
man fur die Skalden voraussetzen muB, auch in lateinischer erzåhlt
worden sein kann, und so bleibt die Moglichkeit bestehen, daB Wendungen
des geistlichen Agr.-Verf assers lateinisch beeinfluBt sein konnen, wie
dies mehrfach geåuBert wurde208. Jedenfalls steht er auch in seinen un-
mittelbaren Quellen unabhångig neben HN (und soweit einschlågig,
neben Th.).
Von soleher Beurteilung Agr.s aus ergibt sich auch ein Blick auf Th.:
was bei diesem von den beiden anderen und den Skalden abweicht, diirfte
man seiner besonderen Uberlieferung zuschreiben, auf deren Rechnung
vor allem Hakon Jarls breit erzåhlte Intrigue gegen Olaf zu setzen wåre.
Es fragt sich noch, ob sich aus diesen Uberlegungen Nåheres zur Be-
urteilung jener fur Th. und HN gemeinsamen Kernstellen der Olafssaga
(o. S. 149) gewinnen låBt. Ist die dortige Åhnlichkeit wirklich das Zeugnis
fur einen gemeinsamen, wenn auch variierten Urtext vor der Ausformung
der erschlossenen beiden Saga-Variationen (HN-Agr. und Th.), oder
ist es nur das sekundåre Ergebnis des stofflich notwendigerweise Åhn-
lichen? Die Priesterliste mit ihrer bedeutenden Ubereinstimmung in allen
drei Prosadenkmålern erweckt den Eindruck, daB sie auf allen Vorstufen
208 S. ASalbjarnarson S. 17!, und gegen ihn Holtsmark, Edda 38, S. 154E Es
besteht auch keine Notigung, das norrbne Agr. Ubersetzung eines lateinischen Agr.s
sein zu lassen (J. de Vries, Lit.-Gesch. 2, S. 184).