Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.1950, Blaðsíða 380
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Jedenfalls, Snorri weiB zur Zeit der Abfassung der Einleitung mehr,
als er darin niederschreibt; er trifft eine Auswabl aus dem ihm bekann-
ten Stoff. Sieht man nun dieses Mehr an, das er verschweigt, und das
ein MindestmaB seines verschwiegenen Wissens darstellt, so sind es alle-
samt Stoffteile, die auBerhalb der Grundform stehen wiirden, und wo
sie in den anderen drei Denkmålern erscheinen, sind sie auch auBerhalb
des Rahmens gestanden; einzig Olaf Tryggvissohns Hårte wiirde sich
in die Gruppe „summarischer Mittelteil" einfiigen. Es låBt sich hieraus
feststellen, daB Snorri sich bei der Auswahl des Stoffes an die Grund-
form halt; bewuBt legt er sie seinem fjberblick zugrunde (vgl. o. S.
274 f.). Dort jedoch, wo es den Zwecken seiner Darstellung forderlich
ist, låBt er sich keineswegs daran hindern, die Grundform auszuweiten
oder (wie bei Hakon Jarl) zu iiberschreiten. Er ist also nicht durch
die traditionellen Formen gebunden; sie sind ihm Bausteine, die er ge-
wiB bedachtsam und iiberlieferungstreu beibehålt, so lange sie ihn nicht
behindern, aber ebensosehr weiB er frei mit ihnen zu schalten, wo es
ihm geboten erscheint44.
Auch die drei anderen Verfasser haben ein Mehrwissen iiber ihre Dar-
stellung wie iiber die Grundform hinaus zu erkennen gegeben. Das Agr.
teilt es in bewuBter Absicht, zu fiilliger Erzåhlung zu gelangen, in
weitem Umfang mit: in seinen Erweiterungen und epischen Aufschwel-
lungen. Th. und HN schweigen an einigen Stellen so sehr, daB daraus
Unklarheiten entstehen, dort, wo es sich um die Verhåltnisse des Ober-
landes handelt (s. o. S. 291 und S. 300); einmal sagt HN dazu aus-
driicklich, daB sie sich kurzer fassen und Stoff iibergehen wolle (S. 104).
Alle diese Verfasser kurzer Ubersichtswerke wåhlen also aus der Menge
des ihnen Uberlieferten aus, und sie folgen dabei den Gewohnheiten der
ihnen iiberkommenen Formen knapper Darstellung — soweit sie ihren
besonderen Zielen entsprechen. Wo diese es erfordern, greifen die Ver-
44 Der Versuch von J. de Vries in Beitr. 66, S. 62 ff., mit Hilfe des Vergleiches
von Flat. 1, S. 39—48 mit der Einleitung Snorris und der Hkr. nachzuweisen, daB
Snorri einer ålteren Schrift (mit einigen Kiirzungen) folge, scheint mir nicht ge-
lungen zu sein. Die Darstellung von de Vries ist unklar; und am SchluB sagt er
selbst, daB Flat. die Einleitung abgeschrieben håbe unter Einschaltungen aus der
Hkr. (S. 64). Ein Vergleich lehrt, daB abgesehen von einigen verbindenden Satzen
in Flat. kein Wortlaut vorkommt, der nicht entweder in der Einleitung oder der
Hkr. stunde. Hieraus ist unmoglich ein SchluB zu ziehen, daB die Einleitung auf
einer ålteren schriftlichen Vorlage beruhe. Es ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte
hiefiir.