Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.1950, Page 48
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deren Rahmen, gerade der tragische Ausgang weist auf Volkssage hin29.
Jedenfalls kommt man auf Volksdichtung, die sich in Generationen an
diesen Vorzeitkonig und sein Sterben geknupft hat. Ganz natfirlich, als
Anflug verwandter Motive an einen schon gebildeten Kern, fallt- es, wenn
nun Vanlandi selbst bereits der Sohn einer Jenseitigen ist und sein Vater
ebenfalls eine Fahrt dorthin unternommen, diesmal aber die Frau ins
Menschenland mitgebracht hat. (Die volksetymologische Deutung des
Namens Vanlandi kann mit dieser Verkniipfung in Zusammenhang
stehen)30. Beachtet man, daB auch vom Sohn Visbur dasselbe Motiv: Ver-
lassen der Gattin, erzåhlt wird (wenn auch im irdischen Bereich), dann
erkennt man einen Kreis von Analogem um die erste, fur sich stehende
Gruppe von Konigen, der seinem inneren Wesen als gangige Erzahlformen
nach sich in einer Zeit um diese geschlungen haben kann, als sie zu einer
feststehenden Vater-Sohn-Reihe zusammengetreten waren. In welchem
zeitlichen Verhåltnis dieser Motivanflug zu Thjodolf steht, låBt sich
nicht bestimmen. Er konnte zu dem von ihm verschwiegenen Wissen ge-
hort haben; er kann sich aber ebensogut als eine jfingere Schicht an die
åltere vom Gang in den Stein (der ja auch ein Gang ins Jenseits ist) und
vom Mahrenritt (wo eine Jenseitige kommt) angescblossen haben.
V i s b u r s Lebensfabel hångt ebenfalls nur an einem diinnen Faden
mit dem Ynglingatal zusammen: daB der Konig von seinen Sohnen im
Haus verbrannt worden ist. In der Motivierung treten Snorri und HN
auseinander; diese sagt: um ihn zeitiger zu beerben, Snorri: Rache wegen
Zuriickbehaltung der Morgengabe der verstoBenen Mutter. Die kurze
Angabe der HN kann ein MiBverståndnis sein — oder bringt Snorri etwas
Neues? Von der motivlichen Geschlossenheit der Gruppe aus, der sich
auch die Namen der Sohne: Gisi und Ondur, einfiigen, ist dies fiir die
VerstoBung der Gattin und den Tod deswegen nicht wahrscheinlich. Dies
ist wohl gewachsene Uberlieferung. Dariiber hinaus zeigt Snorri eine auf-
fållige Motivhåufung: die Rache der Sohne gilt weniger der VerstoBung
als der Zuriickbehaltung der Morgengabe. Die Rache selbst ist doppelt:
als Uberfall und auBerdem als Fluch fiber das Gold (den Halsschmuck).
29 Man denke etwa an die Sagen von Nixenrache aus gleichem Grund. — Huld
kann Stellvertretung der Jenseitigen nach deren Vermenschlichung zur Finnin sein.
30 Dagegen kann der Name Vanlandi an sich auf alten Mythus zuriickgehen,
wie Schiick annimrat: Schiick-Warburg S. 70. Bei Annahme seiner Theorie wåre
die Sage vom Mahrenritt ein 2. Stadium, eine Umwandlung des einstigen Bestat-
tungsmythus.