Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.1950, Blaðsíða 59
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Au ns hohes Alter durch Sohnesopfer wurde fur Thjodolfs Zeit
erschlossen (o. S. 30). HN berichtet hieriiber so wenig etwas wie iiber
bani Gudlaugs und Jota dolgr. Aber sie spricht von 9-jåhriger Alters-
schwåche, wåhrend der Aun das Milchhorn ut infans gesogen håbe. Das
entspricht der letzten 10-jåhrigen Periode bei Snorri, zumal vvenn man
als urspriingliche Meinung „im 10. Jahr“ fur jedes Opfer (also auch
9 Jahre) annimmt49, sowie dem Zustand nach Thjodolf. Dies kann man
so auslegen, daB der Skalde (gemaB seiner Themenbegrenzung) und
HN sich auf die letzte Phase des Aun-Kronos-Mythus beschranken,
wahrend Snorri ihn vollstandiger mitteilt. Es ist damit keineswegs aus-
geschlossen, daB dieser schon seit Thjodolfs Zeit die Neunzahl der Opfer
aufgewiesen haben konnte, zumal nun die HN die „vollkommenste Zahl 9
mal 9“ in gewissem Sinne belegt50. Allerdings schweigt die HN vollig
fiber die Sohnesopfer; man muB annehmen, daB sie (und ihr Uber-
lieferungszweig) nichts davon gewuBt haben. Das Wissen und die Be-
gleiterzåhlung zu ottunga rjoSr scheint hier verloren gegangen zu sein.
(HN fuBt ja nicht unmittelbar auf dem Gedicht, s. o. S. 41). Die
Steigerung der Gebrechlichkeit Auns: im Tragsessel, im Bett, bis zum
Zustand bei Thjodolf und HN: wie ein Såugling, zeigt wiederum die
typische Dreizahl der Volksdichtung und des Mythos, und damit jeden-
falls deren Geist. Das Opferverbot fur den letzten Sohn ist einmal sach-
bedingt: Egil muB ja tibrigbleiben, zum anderen Mal aber auch echte
Volksdichtung: der letzte Versuch endet anders als die bisherigen, und
dann muB der Tater doch sterben. Zugleich entspricht dies auch dem
Kronos-Mythos selbst51. Auch dieser Bestandteil ist damit alt. Uber das
Alter der Volksethymologie von Tiundaland ist schwer zu urteilen; an
Snorris Erfindung glaube ich nicht recht52. Jedenfalls, die ganze Opfer-
geschichte bleibt in Rahmen, Geist und Form von Mythos und Volks-
dichtung; nichts låBt sich finden, was auf spate Zutat weisen wiirde
(vgl. noch u. S. 65).
48 S. Eitrem in Festskrift til H. Falk (Oslo 1927) S. 247.
“ Die Eitrem auf anderem Wege rekonstruiert, a. a. O. S. 247. — HNs Neun-
zahl ist also keine „Unachtsamkeit“ (F. Jonsson, Arkiv 50, S. 189). Nicht von
Kronos-Mythus, aber von echter Uberlieferung ritueller Sohnesopfer spricht H.
Schiick, Ynglt. 3, S. 98 ff.
B1 Eitrem o. a. O. S. 250 ff.; vgl. auch J. de Vries, Altgerm. Rel.-Gesch. 2,
S. 130.
K G. Storm, Snorre S. 108: „vielleicht von Snorri selbst, vielleicht alter“; H.
Schiick, a. a. O. S. 94: „eine von Snorris eigenen Ethymologien“.