Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.1950, Page 106
104
Prosaauflosung der nur im Gedicht iiberlieferten Inhalte? Die einzigen
positiven Anzeichen hiefiir sind Hulds Fluch viber Visbur (o. S. 46 f.)
und die „Finnisierung“ bei Agni (o. S. 50 f.), denn sie beide verlangen
einen Uberblick fiber die einzelne Geschichte hinaus. Aber dieser Uber-
blick war auch dann schon vorhanden, sobald man die einzelnen Begleit-
berichte am Tenor des Ynglingatals nebeneinandergereiht gegenwartig
hatte, ohne daB die Prosa deswegen eine vom Gedicht unabhångige Saga
hat sein mussen173. Gegen sie spricht, daB man in den iiberlieferungsarmen
Stiicken: Domaldi, Domar, Dyggvi, auch Dag, bei Alrek, Ottar, Snorris
eigene Erzåhlkunst glaubt erkennen zu konnen und keine Motivik fur
långere Entwicklung zeugt. So glaube ich, daB man Snorri die Ehre lassen
muB, Gedicht, Begleitprosa (die nur in der Gruppe von Sveigdir bis
Visbur zusammenhångend war) und die anderen Traditionen zur Einheit
seiner Ynglingasaga zusammengeschweiBt zu haben174. Es braucht dabei
keineswegs ausgeschlossen zu Sein, daB die Prosaberichte zum Ynglingatal
(samt dem Gedicht) schon vor Snorri eine Aufzeichnung gefunden haben
konnten, die er unmittelbar benutzt håbe175. Das ist durchaus moglich
und åndert nichts am Wesen der Sache selbst. Warum soilten nicht nach
1.3 Wenn nach Geijers, Schiicks und Steffens Ansicht (s. o. S. 47, Anm. 31)
das Leitmotiv des Fluches schon aus der Zeit vor Thjodolf stammt, dann kann es
Snorri in Form der Begleitprosa zugekommen sein, die einen im AnschluB ans
Ynglingatal bewahrten Rest der alten Sage darstellen wiirde. Die Wahrscheinlich-
keit all dieser Vermutungen muB jedoch offen bleiben.
1.4 Dies gegen Gjessing, Fremvext I, S. 31, H. Schiick, Svensk lit.hist. I (1890)
S. 64 und zuletzt F. Jonsson Arkiv 50, S. 181—196, aber in wesentlicher Uber-
einstimmung mit G. Storm, Snorre S. 111 f., wobei Storm seine abzulehnende Auf-
fassung iiber Snorris Verhåltnis zur HN spater selbst richtig gestellt hat, s. o.
S. 41, Anm. 5.
”* Einen solehen Sachverhalt kann man aus Snorris Satz im FIkr.-Prolog her-
auslesen: Eftir PjoSolfs sogn er fyrst ritin cefi Ynglinga ok far vid aukit eptir sogn
frodra manna. Ohne mich auf die viele Umdeutung der Stelle einzulassen, scheinen
mir zwei Interpretationen moglich: daB Snorri die Ynglingasaga zweimal bearbeitet
håbe, zuerst in kiirzerer Fassung nur nach Thjodolf, dann in erweiterter unter Auf-
nahme der iibrigen ihm bekannt gewordenen Uberlieferung (das scheint mir weniger
wahrscheinlich) — oder es lag eben eine Aufzeichnung des Gedichtes und seiner
Prosaberichte vor (was zusammen PjoSolfs sogn bedeuten kann), die nun von Snorri
nach den sogn weiterer frodir menn ausgebaut wurde. Dabei konnte sogn frodra
manna im besonderen auf die Skjoldungasaga verweisen, weil unmittelbar an-
schlieBend von Brand- und Hiigelzeitalter die Rede ist (was Snorri ja aus der
Skjoldungensaga kennen gelernt hat).