Bibliotheca Arnamagnæana - 01.06.1950, Page 345
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Urteil gefallt.) Aber als Gegengabe frir den Verlust der Hakonssaga als
Agr.s Vorstufe stellt sich ein anderes Ergebnis ein: daB es neben der
strengen Grundform einen Schatz von Uberlieferungen aus dem Leben
der Haraldinger-Konige (nicht nur Hakons, sondern auch Harald Schon-
haars und der anderen) gibt, der bereits zur Zeit des Agr. den vollen
epischen Reichtum sagam aBigen Erzahlens besessen hat27.
Harald Graumantels Ende zeigt epische Ausweitung durch
dessen weissagende Worte an Goldharald (io, 3); sie sind Kristallisations-
punkt fur diese Szene. Sie fordert alsAbschluB die Erfullung, dieAgr. auch
kurz andeutet (10, 4). Aber die Worte verlangen noch mehr; frændi vårr
iiber Hakon aus Haraids Mund muB eine Erklarung haben; eine Er-
zåhlung muB vorausgegangen sein, die von Verwandtschaft und Ver-
håltnis zwischen Harald und Hakon berichtet hat. Ersteres geschieht
aber nicht im Agr., und die Worte selbst klingen eigentlich zu freundlich
gegeniiber Hakon, als daB wie im Agr. unmittelbar vorher die Ermordung
des Vaters als einziger Hinweis auf das gegenseitige Verhåltnis genannt
gewesen sein konnte, fails dieser nicht iiberhaupt erst vom Agr.-Verf asser
eingesetzt worden ist (s. o. S. 313). Mir scheint daher diese Aufschwellung
zur Redeszene aus einem anderen, breiter angelegten Zusammenhang saga-
maBigen Erzahlens herausgeschnitten zu sein, eine Zutat am wahrschein-
lichsten des Agr.-Verfassers, jedenfalls aus einem Kreis stammend, wo Ha-
raldinger und Jarle eng miteinander verflochten waren. — Das muB auch
fur Gunnhilds Ende gelten. Im iibrigen hat diese Geschichte keine
Szene (auch nicht bei Th.); sie ist Erzåhlung iiber diese Begebenheiten
und deshalb nicht in eine Reihe zu setzen mit den epischen Aufschwel-
lungen von Haraids und Hakons Ende. (Vgl. noch o. S. 171 f.).
sofort die Frage erneut stellen: woher hat dann der Verfasser der Spezialsaga
Seinen Stoff? Da sie nicht in die Zeit Hakons zuriickreicht, sondern nur unbedeutend
alter als das Agr. sein kann, muB also sie notwendigerweise doch aus miindlicher
Tradition geschopft haben, und ihre ganze Stoffiille muB hier bereits vorhanden
gewesen sein. Warum will man dann nicht lieber diese Sammeltatigkeit dem vor-
handenen Agr.-Verfasser zuweisen als einem verlorenen Vorlaufer?
27 Damit ist auch Sophie A. Krijns Rekonstruktion einer gemeinsamen Vorlage
(als Fortsetzung von Gjessings „Gemeintext") im Neophilologus 4, S. 237 ff., ab-
gelehnt. Sie ubernimmt Gjessings Hypothese fur gesicherter, als er selbst sie hielt;
dazu scheidet sie bei ihren Vergleichen nicht geniigend zwischen wirklicher Wort-
gleichheit und nur gemeinsamem Inhalt. Ihr Verfahren ist allzu einfach und
mechanisch.